Cornelia Kuhnert im Gepräch.

 

Cornelia Kuhnert wurde in Hannover geboren. Sie arbeitete zwölf Jahre als Lehrerin an verschiedenen Schulen in Hannover und Burgdorf sowie sechs Jahre als Fraktionsvorsitzende im Burgdorfer Stadtrat. Seit einigen Jahren schreibt Sie kurze Kriminalgeschichten oder lange Kriminalromane, die in der Region Hannover und an der Küste spielen. Die Autorin lebt mit Mann, Kindern und Tieren in Isernhagen in einem alten Bauernhaus. 

 

Vor den Toren Hannovers spielt auch Ihr 2011 erschienener Roman Tödliche Offenbarung, genau wie viele ihrer bitterbösen Krurzkrimis, die in zahlreichen Anthologien namhafter Verlage erschinen sind. In denletzten Jahren hat sie sich selbst auch als Herausgeberin von Anthologien bei Heyne, DTV und KBV einen Namen gemacht. Mit dem Titel Krabbenbrot und Seemannstod (Rowohlt) hat sie zusammen mit Christiane Franke drei liebenswerte Figuren geschaffen, die den Mördern in Ostfriesland lange Beine machen. Das Autorenduo hat 2015 mit  Der letzte Heuler und 2016 Miss Wattenmeer singt nicht mehr nachgelegt. Mit dem Buch 111 Orte in Hannover, die man gesehen haben muss, hat Cornelia Kuhnert zusammen mit Günter Krüger den Bestseller unter den Hannover-Stadtführern geschrieben.  2015 haben die beiden mit „111 Orte rund um Hannover, die man gesehen haben muss“ nachgelegt. Sowie "111 Orte rund um Hannover" und "111 Orte für Kinder rund um Hannover".

 

Mittlerweile gibt es 10 Bände der Serie um Rosa, Rudi und Henner.

 

Die Zusammenarbeitet mit Christiane Franke und Cornelia Kuhnert ist sehr fruchtbar.

 

Im Juli 2022 startet eine neue Reihe um Martha Frisch, die in den 50er Jahren eine Heißmangel betreibt und ein erstaunliches kriminalistisches Gespür besitzt.

Wie kam es zu dieser Serie?

 

 

 

 

                        Interview Franke Kuhnert zu Frisch ermittelt

 

                                                    07.05.2021

 

 

 

 

 

                                       

 

Frau Kuhnert, Frau Franke, mit ‚Frisch ermittelt‘ legen Sie nicht nur den Start zu einer neuen Krimireihe vor, Sie lassen die Handlung Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts spielen. Warum?

 

 

 

Franke: Weil wir das Gefühl haben, dass diese Zeit in der Unterhaltungsliteratur ein wenig stiefmütterlich behandelt wurde. Sicher gibt es viele Familiengeschichten, die zu Beginn der Dreißiger Jahre mitsamt der politischen Entwicklung einhergehen, viele machen jedoch Ende der Vierziger Schluss. Wir wollten eine Krimi-Serie schreiben, in der starke Frauen aus unterschiedlichen Generationen agieren und durch die übergreifenden Generationen auch einen Blick auf den Wandel des Frauenbildes gerade zu der Zeit werfen. Immerhin wurde im Jahr 1958 mit dem Gleichberechtigungsgesetz, in dem das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns ersatzlos gestrichen wurde, ein Meilenstein für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen geschaffen.  

 

 

 

Kuhnert Heute wird viel über Ängste geredet. Corona und der Klimawandel bestimmen die Themen. Manche werden schon hysterisch, wenn sie ein Jahr lang nicht in Urlaub fahren können.

 

Der Blick zurück in die 50er Jahre zeigt dagegen eine Generation von Menschen, die viele Verluste verkraften musste. Sei es die Heimat, enge Angehörige, Wohnung oder Haus. Alle versuchten sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Für sie war es ein Aufbruch in die Zukunft mit der Neues und Positives verbunden wurde, obwohl überall noch die Schatten des Dritten Reichs lauerten.

 

 

 

 

 

 

 

Auch diesmal bleiben Sie in Ostfriesland, wechseln jedoch vom Sielort Neuharlingersiel in die Stadt Leer. Hatten Sie die Nase voll vom Dorfgeschehen?

 

 

 

Kuhnert: Nein, ganz im Gegenteil. Aber Leer ist eine Handelsstadt mit einer interessanten Geschichte, die wir den Lesern in den Romanen gerne näherbringen möchten.

 

 

 

Franke: Nein, denn die Serie um den Dorfpolizisten Rudi, den Postboten Henner und die Lehrerin Rosa geht ja weiter! Leer ist nicht so dörflich wie Neuharlingersiel, aber auch noch nicht Großstadt. Der Kleinstadtmief, das Geklüngel, all das sind die perfekten Voraussetzungen für spannungsgeladene Geschichten.

 

 

 

 

 

 

 

Was hat Sie so an den Endfünfzigern gereizt, dass Sie in die Vergangenheit „abtauchen“?

 

 

 

 

 

Kuhnert: Mit Erstaunen habe ich erst jetzt verstanden, welchen Einfluss diese Zeit auf mein eigenes Leben hatte, wie viele Erinnerungen ich noch aus Erzählungen daran habe. Ich sehe mich am Schürzenzipfel meiner Mutter im frisch gebohnerten Treppenhaus stehen, während sie mit der Nachbarin tratscht.

 

 

 

 

 

 

Franke:  Es ist die Zeit, in der meine Eltern sich kennenlernten und ineinander verliebten. Diese zarten Annäherungen, der behutsame Umgang miteinander, die äußeren Rahmenbedingungen, die man zu beachten hatte, der Aufbruch dieser Generation in eine hoffentlich friedlichere Zeit, all das löst bei mir ein Wohlgefühl aus, obwohl damals auch nicht alles rosig war. Dieses offene, unbeschwerte „Die Zukunft angehen wollen nach den schrecklichen Kriegserlebnissen“.

 

 

 

 

 

 

 

 

Sie gehören beide einer Generation an, deren Eltern den Anfang und das Ende des zweiten Weltkrieges als Kinder oder junge Erwachsene erlebt haben. Hat das Einfluss auf Ihr Schreiben?

 

 

 

Franke: Allgemein sicher nicht, für diese Serie jedoch habe ich das Glück, auf meine Eltern als Zeitzeugen zurückgreifen zu können. So beherrscht der Wachtmeister Hans Frisch das Stenographieren, weil mein Vater es damals auch gelernt und im Studium genutzt hat. Ich habe in vielen Gesprächen mit meinen Eltern Dinge über die damalige Zeit und vor allem das damalige Leben erfahren, die bislang kein Thema waren. Nicht, weil wir oberflächlich miteinander umgingen, sondern weil in meinem Leben durch Ausbildung, Beruf und Familie immer andere Themen wichtig waren. Ich bin sehr dankbar, dass diese neue Serie meine Sinne für die Kindheit, Jugend und das junge Erwachsenenleben meiner Eltern und ihrer Generation geschärft hat.

 

 

 

Kuhnert Meine Eltern heirateten im Dezember 1944 und fassten in den 50er Jahren als Vertriebene Schlesier langsam Fuß im Westen. Zu fünft hatten sie über Jahre eine Kammer bei einem Bauern bewohnt und erhielten 1955 eine der begehrten Sozialwohnungen, in der ich dann aufwuchs. Drei Zimmer, Küche, Bad und Ofenheizung in Stube und Küche, inklusive Eisblumen im Winter an den Fenstern. Viele Geschichten und Begriffe aus dieser Zeit fallen mir wieder ein. Wie z.B. die Aschetonne.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn man Ihnen so zuhört, bekommt man das Gefühl, Sie sind mit ganzem Herzblut bei der Sache. Wie kommt das?

 

 

 

Kuhnert  Ich bedauere es sehr, mit meinen Eltern nicht intensiver über Flucht und Vertreibung

 

 geredet zu haben. Zwar habe ich sie einmal zu einem Schlesiertreffen ihres Dorfes begleitet, mich aber herzlich wenig dafür interessiert. Erst als ich Briefe meiner verstorbenen Mutter gelesen habe, wurde mir bewusst, welche Konflikte sie direkt nach dem Krieg durchstehen musste, Dinge, über die nie geredet wurde. Bei mir kommt das Interesse zu spät, andere – so wie meine Co-Autorin Christiane Franke – können noch die Gelegenheit nutzen und in ihrer eigenen Familiengeschichte nachfragen.

 

 

 

Franke   Man kommt der eigenen Familiengeschichte so nah.  Meine Oma hatte genau die gleiche Wohnung wie Hertha Frisch. Und auch sie hatte an einen Heilpraktiker eines der beiden Zimmer untervermietet. Meine Oma, mein Onkel und mein Vater haben in einem Zimmer und der Wohnküche gelebt. Und sich dabei nie schlecht gefühlt, im Gegenteil! Oft haben die Brüder heimlich zugehört, wenn meine Oma ihre Freundinnen in der Küche zu Besuch hatte und sie Gitarre gespielt hat.

 

 

 

Kuhnert: Und wir hatten so ein Badezimmer wie Else. Als Kind bin ich in die Badewanne gestiegen und habe aus dem kleinen Fenster am hinteren Ende der Wanne geschaut, um zu sehen, wann mein Vater nach Hause kam.

 

 

 

Vielen Dank für dieses Gespräch, da wächst die Freude auf den ersten Band von:

 

 

 

                                         Frisch ermittelt!

 

 

 

Cornelia Kuhnert                          und                       Christiane Franke:         

 

 

 Und Mitte Januar 2023 erscheint: Der Fall Kaltwasser

   

 

                  

 

 

 

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Im nachfolgenden Gespräch äußert Sie sich über die Motive einer Kriminalschriftstellerin, vermeintliche Kleinstadtidyllen, mörderische Schwestern und Ihre neueste Buchveröffentlichung.

 

 

Interview Teil 1: Leidenschaften und Intrigen.